Die alte Kunst des Trocknens
Der Passito-Wein ist einer der ältesten und raffiniertesten Ausdrucksformen der mediterranen Önologie, eine Weinbereitungsmethode, die auf eine jahrtausendealte Weinbaugeschichte zurückblickt. Die Technik des Trocknens, die bereits den Ägyptern bekannt war und von den Römern perfektioniert wurde, besteht darin, die Trauben nach der Ernte trocknen zu lassen, wodurch Zucker, Aromen und phenolische Bestandteile konzentriert werden. Dieser Prozess kann auf natürliche Weise in der Sonne (typisch auf den Mittelmeerinseln), in belüfteten Räumen, den sogenannten „Fruttai” (wie in Norditalien), oder direkt am Rebstock (wie bei der Spätlese). Während der Trocknung, die einige Wochen bis mehrere Monate dauern kann, verlieren die Beeren bis zu 40 % ihres Gewichts an Wasser und durchlaufen komplexe biochemische Veränderungen, die das Aromaprofil der Trauben bereichern.
Ein italienisches Erbe der Artenvielfalt
Italien ist weltweit führend in der Herstellung von Passito-Weinen mit einer außergewöhnlichen Vielfalt an territorialen Ausdrucksformen. Von den Alpengipfeln des Trentino, wo der goldene Vino Santo aus monatelang getrockneten Nosiola-Trauben entsteht, geht es weiter zu den toskanischen Hügeln des Vin Santo aus Trebbiano und Malvasia. Das Veneto bietet den intensiven Rubinrotwein Recioto della Valpolicella, während Umbrien den Sagrantino Passito zelebriert. Weiter südlich bietet Sizilien den berühmten Passito di Pantelleria aus Zibibbo-Trauben mit seinen Aromen von Aprikosen und Orangenblüten. Jeder Passito erzählt eine einzigartige Geschichte von Territorium und Tradition durch Aromaprofile, die von fruchtigen Noten von Pfirsich und Aprikosen in Sirup bis hin zu Noten von Honig, Trockenfrüchten, exotischen Gewürzen und balsamischen Anklängen reichen. Die perfekte Harmonie zwischen Süße, Säure und aromatischer Komplexität macht diese Weine zu idealen Begleitern von Blauschimmelkäse, Gebäck und Schokolade, aber auch zu außergewöhnlichen Meditationsweinen, die sich über Jahrzehnte in der Flasche positiv entwickeln können.
